Sternbedeckungen durch Kleinplaneten -
eine lohnende Aufgabe für Amateure

von Martin Federspiel

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  1. Einführung
  2. Das Prinzip einer Sternbedeckung
  3. Die Beobachtung
  4. Sternbedeckungen durch Kleinplaneten - wann und wo?
  5. Verbesserte Vorhersagen: "last-minute Updates"
  6. Volltreffer dank HIPPARCOS: (39) Laetitia/PPM 121913 und (476) Hedwig/HIP 103334
  7. Die nächste gute Chance: (2009) Voloshina/xi Arietis am 1. Dezember 2001
  8. Zusammenfassung
  Literatur

Dieser Beitrag stellt das für ernsthafte Amateurastronomen lohnende Arbeitsgebiet der Sternbedeckungen durch Kleinplaneten vor und führt in die zugehörige Beobachtungspraxis ein. Dabei werden verschiedene Tätigkeitsfelder angesprochen, die von den beiden VdS-Fachgruppen Kleinplaneten [1] und Sternbedeckungen ( bzw. der International Occultation Timing Association [IOTA] und ihrem europäischen Teil IOTA/ES ) [2] betreut werden.

1. Einführung

Auch 200 Jahre nach der Entdeckung des ersten Kleinplaneten sind Asteroiden top-aktuelle Forschungsobjekte. Zum Beispiel jener Körper mit der spröden Nummer 433 und dem vielversprechenden Namen Eros: Seit Ende 1998 pirschte sich die Sonde NEAR Shoemaker immer näher an diesen etwa 33 x 13 x 13 km großen, erdnussförmigen Brocken heran (Abb. 1). Schließlich hatte sie sich dem Objekt der Begierde auf wenige km genähert und lieferte gestochen scharfe Aufnahmen mit einer Auflösung von einigen Metern (!) zur Erde zurück. Dank Internet kann die interessierte Öffentlichkeit hautnah an dieser kitzeligen Mission teilhaben [3]. Wenige Jahre zuvor wurde die Sonde GALILEO auf ihrem Weg zum Jupiter so gesteuert, dass sie die Kleinplaneten (951) Gaspra und (243) Ida im Vorbeiflug unter die Lupe nehmen konnte. Der kleine Umweg hat sich gelohnt: Ein besonderes Ergebnis des Rendezvous mit Ida war z.B. die Entdeckung des winzigen Asteroidenmonds Dactyl (Abb. 2).

Abb. 1: (433) Eros ist einer der wenigen Kleinplaneten, die wir aus der Nähe kennen. Seine mit Einschlagkratern übersäte Oberfläche und seine unregelmäßige Figur sind typisch für kleinere Asteroiden (aufgenommen von der Sonde NEAR Shoemaker, JHU/APL und NASA).
Abb. 2: Auch Asteroiden können Begleiter haben: Auf dem Flug zum Jupiter nahm die Sonde Galileo den Kleinplaneten (246) Ida ins Visier. Auf den Bildern wurde ein winziger Mond (links von Ida) entdeckt, der den Namen Dactyl erhielt (NASA/JPL).

Warum interessieren uns Kleinplaneten eigentlich? Nach der gängigen Vorstellung der Entstehung unseres Sonnensystems haben sich die großen Planeten und ihre Monde vor rund 4,5 Milliarden Jahren durch relativ sanfte Zusammenstösse kleinerer Körper ("Planetesimals") gebildet. Durch die Störungen des massereichen Planeten Jupiter konnte aus der Materie zwischen Mars und Jupiter kein weiterer großer Planet entstehen. Nach dieser Theorie sind Kleinplaneten also verhältnismäßig ursprüngliche Materie, die uns heute noch einige wichtige Kapitel aus der Frühzeit des Sonnensystems erzählen kann.

Es muß jedoch nicht immer eine teure Sonde sein, die neue Erkenntnisse aus der Welt der Kleinplaneten bringt. Bereits mit einfachen Amateurmitteln lassen sich Beobachtungen machen, aus denen zum Beispiel Größe und Form eines Kleinplaneten abgeleitet werden können. Dazu muß man freilich besondere Umstände bei der Beobachtung ausnutzen, denn auch in den größten Teleskopen erscheinen Kleinplaneten bei direkter Betrachtung nur als hellere oder schwächere Lichtpunkte.

2. Das Prinzip einer Sternbedeckung

Von der Erde aus betrachtet ziehen die Kleinplaneten mit einer typischen scheinbaren Winkelgeschwindigkeit von etwa 30 Bogensekunden pro Stunde vor dem Hintergrund der Sterne über den Himmel. Dabei kommt es gelegentlich vor, dass ein Asteroid für den irdischen Beobachter genau vor einem Stern vorbeiläuft und ihn für einige Sekunden bedeckt (Abb. 3). Während dieser "Sternenfinsternis" sieht der Beobachter nur das Licht des Kleinplaneten im Vordergrund; unmittelbar vor und nach der Bedeckung empfängt er das kombinierte Licht von Stern und Kleinplanet. Für den Beobachter macht sich die Bedeckung also durch einen vorübergehenden Helligkeitsabfall bemerkbar. Diese Lichtabschwächung ist umso deutlicher, je heller der Stern im Vergleich zum Kleinplaneten ist.


Abb. 3: Prinzip einer Sternbedeckung durch einen Asteroiden: Für einen Beobachter am Ort A bedeckt der Kleinplanet den Stern, während er für Beobachter an den Orten B und C unterhalb bzw. oberhalb des Sterns vorbeizieht. Beobachter innerhalb der Bedeckungszone sehen je nach Abstand von der Zentrallinie verschiedene Schnitte durch das Kleinplanetenprofil (kleines Bild, gelbe Linien).

Aus der Beobachtung eines solchen kosmischen Schattenspiels läßt sich dann die Größe des Kleinplaneten ableiten: Wenn seine Bahn und damit die scheinbare Winkelgeschwindigkeit und die absolute Entfernung zur Erde zum Zeitpunkt der Bedeckung bekannt sind, folgt aus der Zeitdauer der Bedeckung die Größe des Asteroiden.

Überlegen wir noch etwas genauer. Verschiedene Beobachter an verschiedenen Standorten auf der Erdoberfläche sehen den meist ja nur wenige AE entfernten Kleinplaneten jeweils um einen winzigen Winkelbetrag gegenüber dem viel weiter entfernten Sternenhintergrund verschoben (Parallaxe). Die Situation ähnelt der bei einer totalen Sonnenfinsternis: Je nach dem, wo man auf der Erde steht, sieht man, dass der Mond die Sonne völlig abdeckt oder man schaut ein wenig am Mond vorbei und beobachtet, wie der Mond die Sonne nur teilweise oder gar nicht abdeckt. Wie bei einer Sonnenfinsternis gibt es auch bei einer Sternenfinsternis durch einen Kleinplaneten eine Zone auf der Erde, innerhalb derer man eine Bedeckung sieht. Diese Bedeckungszone ist - je nach Projektion auf die Erdoberfläche - mindestens so breit wie der Kleinplanet groß ist. Und wie bei einer Sonnenfinsternis fällt die Bedeckung kürzer aus, wenn der Beobachtungsort in der Nähe des Randes der Bedeckungszone liegt.

Noch einmal der gleiche Sachverhalt, diesmal aus der Perspektive des Beobachters: Je nach Standort auf der Erde bedeckt der Kleinplanet den Stern zentral, mehr oder weniger am Rand, streifend oder gar nicht. Von verschiedenen Standorten aus sieht man verschiedene Schnitte durch das Kleinplanetenprofil. Aus der Gesamtheit der beobachteten Schnitte lassen sich dann Größe und Umriss (bzw. die zweidimensionale Projektion zum Zeitpunkt der Bedeckung) des Kleinplaneten rekonstruieren. Kennt man dazu noch seine rotationsbedingte Helligkeitsveränderung ("Lichtkurve") um den Bedeckungstermin herum, sind sogar Aussagen über die dreidimensionale Gestalt des Körpers möglich. Zum Thema Photometrie von Kleinplaneten sei auf den Beitrag von Helmut Denzau in der letzten Ausgabe des VdS-Journals verwiesen [4].

Manche Asteroiden sind Doppelkörper [z.B. (90) Antiope und 2000 DP107] bzw. haben Monde - bei (45) Eugenia, (243) Ida und (762) Pulcova sind sie nachgewiesen. Lichtelektrische Messungen bei einer Sternbedeckung legen auch für (532) Herculina einen Begleiter nahe. Weitere Doppelasteroiden und Kleinplanetenbegleiter könnten bei Sternbedeckungen entdeckt werden, wenn sie für manche Beobachter den Zielstern kurz "ausknipsen". Hierzu sind möglichst viele Beobachter wünschenswert, um der Interpretation der Daten eine ausreichende Sicherheit zu geben.

3. Die Beobachtung

Die Beobachtung einer Sternbedeckung durch einen Kleinplaneten ist im Prinzip eine relativ einfache Zeitmessung, die mit nur geringen Hilfsmitteln von Amateuren zu leisten ist. Man bestimmt möglichst genau (wünschenswert ist 0.1 s) die Zeitpunkte, zu denen die Helligkeit des im Teleskop nicht aufgelösten Paares Stern/Kleinplanet mehr oder weniger schlagartig auf die Helligkeit des Kleinplaneten allein abnimmt und kurz darauf wieder auf den Ausgangswert zurückkehrt. Hier geht es nicht nur um die Bestimmung der Zeitdauer der Bedeckung, sondern auch um die Festlegung des Ereignisses in der UTC-Zeitskala.

Alles, was man an Instrumentarium zur Beobachtung von Sternbedeckungen durch Kleinplaneten braucht, ist ein Teleskop, das den Zielstern sicher zeigt, einen Zeitzeichenempfänger (z.B. für DCF 77) für die genaue Zeit und ein Datenaufzeichnungsgerät. Letzteres kann ein Tonband sein, das Zeitzeichen und Kommentare des Beobachters aufnimmt, oder eine Videokamera mit eingeblendetem Zeitzeichen oder eine geeignete CCD-Kamera wie die speziell für Bedeckungsbeobachtungen entwickelte "IOTA Occultation Camera" (IOC; siehe dazu den Artikel von Wolfgang Beisker et al. in [5]). Geeignete elektronische Kameras haben den Vorteil, dass sie das Ereignis praktisch verzögerungsfrei und mit hoher zeitlicher Auflösung registrieren. Letzteres ist etwa von Bedeutung, wenn man bei der Bedeckung auch noch den Winkeldurchmesser des Sterns mitbestimmen will. Dazu muß der Zielstern ein Riesenstern sein und die Bildwiederholfrequenz bei 100 Hz oder besser liegen.

4. Sternbedeckungen durch Kleinplaneten - wann und wo?

Dann stellt sich natürlich die Frage, wann denn nun welcher Stern von welchem Kleinplaneten bedeckt wird und von wo aus das Ereignis zu beobachten ist. Im Prinzip ist die Rechnung kein Kunststück. Man kennt die Bahnen von mehreren zehntausend Kleinplaneten einigermaßen genau, einige hundert davon sogar sehr genau; auch die Positionen von einigen Millionen Sternen sind mit guter Genauigkeit bekannt.

Für eine gute Vorhersage sind die Anforderungen an die Genauigkeit sehr hoch: Die scheinbaren Durchmesser selbst der größeren Asteroiden liegen in der Größenordnung einige 0.01" bis 0.1". Für eine Bedeckungsvorhersage, die etwa so genau wie die Bedeckungszone breit ist, muß sowohl die Position des Kleinplaneten als auch die des Sterns auf wenige 0.01" genau bekannt sein.

Aus der Vielzahl der möglichen Ereignisse gilt es nun diejenigen herauszufiltern, die überhaupt beobachtbar sind:

Die beiden IOTA/ES-Mitglieder Edwin Goffin (Belgien) und Mike Kretlow (Deutschland) suchen fast zwei Jahre im voraus unabhängig voneinander nach Ereignissen, die diese Kriterien erfüllen. Diese Referenzvorhersagen ("nominal predictions") sind zum Beispiel über das Internet zugänglich [6], [7].

5. Verbesserte Vorhersagen: "last-minute Updates"

Bei den Referenzvorhersagen beträgt die Unsicherheit im Verlauf der Bedeckungszone in den meisten Fällen einige 100 km oder etwa 10 Bedeckungszonenbreiten. Schuld sind heutzutage meistens die Kleinplaneten: Nur für ganz wenige Asteroiden können wir die Position auf wenige 0.01" genau für einige Zeit im voraus berechnen. Damit ein Ereignis gezielt beobachtet werden kann, sollte die Unsicherheit in der Vorhersage aber nur etwa eine Bedeckungszonenbreite betragen. Die Hauptaufgabe lautet daher: Verbesserung der Kleinplanetenbahn.

Für eine Bahnverbesserung benötigt man neue, möglichst genaue Positionsmessungen des Kleinplaneten. Sie sollten idealerweise einen Zeitraum von einigen Wochen oder Monaten umfassen und möglichst nahe an das eigentliche Bedeckungsereignis heranreichen. Hier sind Amateure, die sehr genaue Astrometrie betreiben, herzlich zur Mitarbeit eingeladen. Jens Kandler und Gerhard Lehmann von der VdS-Fachruppe Kleinplaneten haben in [8] beschrieben, wie's gemacht wird. Mit der heutigen CCD- und Computertechnik ist Astrometrie eine dankbare Amateuraufgabe. Es gibt eine ganze Reihe von Computerprogrammen auf dem Markt, die speziell für Astrometrie entwickelt wurden oder Astrometriefunktionen integriert haben: Für Windows sind das z.B. Astrometrica [9] von Herbert Raab und EasySky Pro [10] von Matthias Busch, für Unix/Linux kann man das von der Europäischen Südsternwarte ESO geschriebene MIDAS [11] oder das amerikanische Programmpaket IRAF [12] verwenden. Die Datenreduktion lässt sich weitgehend automatisieren [13].

Astrometrie zur Berechnung von Bedeckungen stellt allerdings hohe Anforderungen. Damit die Position des Kleinplaneten mit einer absoluten Genauigkeit von wenigen 0.01" im seit 1998 verwendeten ICRF-Bezugssystem (ICRF=International Celestial Reference Frame) bestimmt werden kann, müssen die Positionen der zur Messung benutzten Vergleichssterne im ICRF mindestens so genau bekannt sein. Als Vergleichsternkataloge kommen deshalb nur solche in Frage, die auf den Daten des Astrometriesatelliten HIPPARCOS basieren. Der HIPPARCOS-Katalog [14] selbst gibt zwar sehr genaue Positionen und Eigenbewegungen für fast 120000 Sterne, die Sterndichte ist aber zu gering, d.h. es gibt meistens nicht genügend HIPPARCOS-Vergleichssterne in der Nähe des zu vermessenden Objekts. Deutlich besser sieht es mit dem Tycho-2-Katalog [15] aus: In ihm wurden für 2 Millionen Sterne bis ca. 11 mag Positionen des Tycho-Experiments an Bord des HIPPARCOS-Satelliten mit Daten anderer Kataloge kombiniert, um die hochwertigen Tycho-Positionen mit ausreichend genauen Eigenbewegungen zu ergänzen. Alle anderen Astrometrie-Kataloge sind für Aufgaben im Zusammenhang mit Bedeckungen nur bedingt brauchbar. Der oft benutzte GSC (Guide Star Catalog) Version 1.2 etwa ist nicht im ICRF-System und gibt auch keine Eigenbewegungen an, wird also schon nach wenigen Jahren spürbar zu ungenau. Ein nächster großer Fortschritt ist mit Erscheinen des kompletten UCAC (US Naval Observatory CCD Astrograph Catalog) [16] etwa im Jahr 2003 zu erwarten. Dieser Katalog wird für etwa 50 Millionen Sterne im Helligkeitsbereich 8 bis 16 mag Positionen und Eigenbewegungen im ICRF-System mit für die helleren Sterne ähnlicher Genauigkeit wie der Tycho-2-Katalog enthalten.

Einige Tage vor der Bedeckung ist es dann an der Zeit, die Kleinplanetenpositionen im MPC-Format per E-mail an die IOTA zu schicken, die dann nach Möglichkeit eine verbesserte Vorhersage ("Update") für die Bedeckung herausgibt. Zur Zeit berechnen David W. Dunham (Greenbelt/USA, Präsident der IOTA), Jan Manek (Prag/Tschechien) und Martin Federspiel (Freiburg i.Br./Deutschland) solche Updates [17]. Die meisten der für die Berechnung von Updates benutzten aktuellen Positionen steuern gegenwärtig Ronald Stone vom US Naval Observatory in Flagstaff/Arizona [18] und Bill Owen vom Table Mountain Observatory (Wrightwood/Kalifornien) bei - ein gelungenes Beispiel für eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Fachastronomen und Amateuren. Der Anteil der von Amateuren beigetragenen Positionsmessungen ist noch erheblich steigerungsfähig. Ihre Daten sind sehr willkommen!

Aus allen verfügbaren Beobachtungen wird dann eine im Hinblick auf die Bedeckung möglichst genaue Bahn des Kleinplaneten berechnet. Der Autor hat zum Thema Störungsrechnung und Bahnverbesserung vor einiger Zeit Programme geschrieben und in SuW vorgestellt [19]. Professionellen Ansprüchen genügt das in FORTRAN77 geschriebene Programmpaket OrbFit [20]. Auch Bill Gray von Project Pluto (der Autor von GUIDE) bietet ein mit Einschränkungen verwendbares Modul FIND_ORB zur Bahnbestimmung an [21]. Die Bahnverbesserung ist ein spannendes Geschäft. Manchmal ist es eine einzige, bei der Bahnbestimmung akzeptierte oder verworfene Beobachtung, die darüber entschiedet, ob die wahrscheinliche Bedeckungslinie 100 km weiter nördlich oder südlich vorhergesagt wird.

Mit den verbesserten Bahnelementen ist die Bedeckungszone auf der Erde schnell berechnet, etwa mit dem Programm OCCULT [22] von David Herald oder mit GUIDE [21]. Nun muß die verbesserte Vorhersage schnellstmöglich zu potentiellen Beobachtern gelangen. Hier ist das Internet unschlagbar: Neuigkeiten über Ereignisse, die Europa betreffen, werden top-aktuell über eine Mailingliste [23] verbreitet und können über die Internetseite von Jan Manek und Ludek Vasta [24] sowie über die europäische IOTA-Seite [5] eingesehen werden. Wer über den europäischen Bedeckungsdunstkreis hinaussehen will, wird auf der amerikanischen IOTA-Seite [25] und über die Sky & Telescope-Mailingliste [26] bestens informiert.

6. Volltreffer dank HIPPARCOS: (39) Laetitia/PPM 121913 und (476) Hedwig/HIP 103334

Vor HIPPARCOS war die erfolgreiche Beobachtung von Sternbedeckungen durch Kleinplaneten fast reine Glückssache. Der genaue Verlauf der relativ schmalen Bedeckungszone war meist um einige hundert km oder größenordnungsmäßig 10 Bedeckungszonenbreiten unsicher. Bei einigen Beobachtern machte sich daher nach zahlreichen nicht im vorhergesagten Bereich eingetretenen Bedeckungen Frust breit. Mit HIPPARCOS kam ab 1997 die Wende - dieser Satellit hat die Astrometrie revolutioniert. Dazu zwei Beispiele.

21. März 1998, kurz nach Sonnenuntergang. Hektisch suchen einige Amateur- und Fachastronomen in Spanien, Südfrankreich, Norditalien und der Ukraine den 6.8 mag hellen Stern HIP 28954=PPM 121913 im nördlichen Teil des Sternbilds Orion. Es bleibt nicht viel Zeit, denn gegen 19 Uhr UT soll dieser Stern für ein paar Sekunden vom Kleinplaneten (39) Laetitia bedeckt werden. Die Beobachtung gelang tatsächlich: Von 15 Standorten aus wurde eine Sternenfinsternis registriert, 9 sahen keine Bedeckung. Die Zone der Bedeckung war offenbar genauso verlaufen wie Jan Manek und Martin Federspiel es einige Tage zuvor berechnet hatten (Abb. 4).

Abb. 4: Bedeckung von PPM 121913 durch (39) Laetitia am 21. März 1998. An den als schwarze Kreise eingezeichneten Beobachtungsorten wurde eine Bedeckung registriert, während andere Beobachter keine Bedeckung sahen (offene Kreise). Der tatsächliche Verlauf der Bedeckungszone stimmt sehr gut mit dem in der "last-minute prediction" vorhergesagten überein (IOTA/Jan Manek/Martin Federspiel).

Aus den beobachteten Bedeckungsdauern konnten Umriss und Größe von Laetitia abgeleitet werden. Die Daten passen am besten zu einem Ellipsoid mit den projizierten Halbachsen 72 km x 113 km (siehe Abb. 5). Das ist befriedigend mit dem aus Infrarotbeobachtungen des Satelliten IRAS bestimmten Radius von 80 km verträglich. Die Bedeckung von PPM 121913 lieferte keine Anhaltspunkte für einen Begleiter von Laetitia.

Abb. 5: Rekonstruktion von Größe und Umriss von (39) Laetitia aus der Bedeckung von PPM 121913 am 21. März 1998. Die Daten passen am besten zu einem mittleren projizierten Ellipsoid mit den Halbachsen 72 km und 113 km. Kleinere Irregularitäten der Oberfläche deuten sich an (IOTA/David W. Dunham).

Auch am 7. November 2000 hat es dank eines sehr genauen Updates wieder geklappt. An diesem Abend beobachteten 6 Sternfreunde um Martin Dentel aus Berlin und Nordostbrandenburg, wie der 8.4 mag helle Stern HIP 103334 bis zu 6 Sekunden lang vom Kleinplaneten (476) Hedwig "ausgeknipst" wurde. Ergebnis: Die gemessenen Zeiten legen einen projizierten elliptischen Umriss des Kleinplaneten (Abb. 6) mit den Halbachsen 63 km und 42 km nahe. Der Radius war bislang aus IRAS-Daten zu 61 km angenommen worden.

Abb. 6: Rekonstruktion von Größe und Umriss von (476) Hedwig aus der Bedeckung von HIP 103334 am 7. November 2000. Die 6 gemessenen Profile legen für diesen Kleinplaneten ein Ellipsoid mit den projizierten Halbachsen 63 km und 42 km nahe (IOTA/David W. Dunham).

7. Die nächste gute Chance: (2009) Voloshina/xi Arietis am 1. Dezember 2001

Sind Sie neugierig geworden? Möchten Sie vielleicht auch eine Sternbedeckung durch einen Kleinplaneten beobachten oder zur genaueren Vorhersage der Bedeckungszone beitragen? Die nächste Bedeckung eines helleren Sterns, die möglicherweise von Teilen Deutschlands aus sichtbar ist, ereignet sich am 1. Dezember 2001 gegen 21.30 Uhr MEZ. Dann soll der nur etwa 40 km große und 15.3 mag schwache Asteroid (2009) Voloshina vor dem 5.5 mag hellen Stern xi Arietis (HIP 11249) vorüberziehen. Nach Berechnungen von Edwin Goffin auf der Basis einer älteren Bahn des Asteroiden läuft die Bedeckungszone über Skandinavien und Schottland. Die Bahn des Kleinplaneten ist aber dringend verbesserungsbedürftig. Die Bedeckungszone könnte vielleicht über Deutschland liegen - das wollen wir nicht verpassen. Mit Ihren Positionsmessungen in den kommenden Wochen und Monaten können Sie mithelfen, dass wenige Tage vor dem Ereignis ein entsprechendes last-minute Update gerechnet werden kann. Wenn Sie in der Nähe der Bedeckungszone wohnen, lohnt sich eine Beobachtung auf jeden Fall. Die Fachgruppe Sternbedeckungen bzw. IOTA/ES freut sich schon auf Ihre Daten (bitte an [17], auch dann, wenn von Ihrem Standort aus der Stern nicht bedeckt wurde.

Abb. 7: Referenzvorhersage der Bedeckung xi Arietis durch (2009) Voloshina am 1. Dezember 2001. Im Zuge einer Bahnverbesserung könnte sich herausstellen, dass die tatsächliche Bedeckungszone auch über Mitteleuropa verläuft (Edwin Goffin [6]).

8. Zusammenfassung

Beobachtungen im Zusammenhang mit Sternbedeckungen durch Kleinplaneten sind eine dankbare Aufgabe für Amateure. Schon mit relativ einfachen Mitteln lässt sich das Ereignis selbst verfolgen. Aus den an verschiedenen Standorten bestimmten Bedeckungszeiten und der in den Tagen um die Bedeckung gemessenen Lichtkurve folgen die wichtigen Parameter Größe und Umriss eines Asteroiden.

Amateure können auch schon im Vorfeld der Bedeckung mitwirken. Ihre genauen Positionsmessungen relativ zu Sternen, die vom Astrometriesatelliten HIPPARCOS vermessen wurden, helfen mit, die Bahn des Kleinplaneten und damit die Qualität der Vorhersage erheblich zu verbessern.

Literatur

[1] VdS-Fachgruppe Kleinplaneten; Leiter: Gerhard Lehmann, Persterstr. 6h, 09430 Drebach, E-mail: g.lehmann@abo.freiepresse.de

[2] VdS-Fachgruppe Sternbedeckungen bzw. IOTA/ES; Leiter/Präsident: Hans-Joachim Bode, Bartold-Knaust-Str. 8, 30459 Hannover, E-mail:president@IOTA-ES.de; Sekretär: E. Bredner, E-Mail: secretary@IOTA-ES.de

[3] Bilder des Kleinplaneten (433) Eros, aufgenommen von der Sonde NEAR, im Internet: http://near.jhuapl.edu

[4] Denzau, H., Photometrie von Kleinplaneten, VdS-Journal Winter 2000, 59ff.

[5] Internetseite der IOTA/ES: http://www.iota-es.de

[6] Referenzvorhersagen von Edwin Goffin im Internet: ftp://ftp.ster.kuleuven.ac.be/dist/vvs/asteroids

[7] Referenzvorhersagen von Mike Kretlow im Internet: http://astro1.physik.uni-siegen.de/uastro/occult/index.htm

[8] Kandler, J., Lehmann G., Wie astrometriert man Kleinplaneten?, VdS-Journal Sommer 2000, S. 74ff

[9] Astrometrica von Herbert Raab: http://www.astrometrica.at

[10] EasySky Pro von Matthias Busch: http://www.easysky.de

[11] MIDAS (ESO): http://www.eso.org/projects/esomidas

[12] IRAF: http://iraf.noao.edu/

[13] Meyer, E., Automatisierte astrometrische Datenreduktion, VdS-Journal Winter 2000, S. 95f.

[14] HIPPARCOS-Katalog: The HIPPARCOS Catalogue, ESA SP-1200, ESA 1997; http://astro.estec.esa.nl/Hipparcos, http://vizier.u-strasbg.fr/viz-bin/VizieR

[15] Tycho-2-Katalog: Hog, E., et al. 2000, Astronomy&Astrophysics, 355, 27; http://www.astro.ku.dk/~erik/Tycho-2/, http://vizier.u-strasbg.fr/viz-bin/VizieR

[16] UCAC-Katalog: Zacharias, N., et al. 2000, Astronomical Journal, 120, 2131; http://ad.usno.navy.mil/ad/ucac

[17] Beobachtungen bitte an: IOTA-Präsident David W. Dunham ( dunham@erols.com), Jan Manek ( jan.manek@worldonline.cz), Martin Federspiel ( martin@astro.unibas.ch)

[18] Stone, R.C. 2000, Astronomical Journal, 120, 2708

[19] Federspiel, M. 1994, Sterne und Weltraum, 33, 482

[20] Professionelle Bahnbestimmung mit OrbFit (FORTRAN77-Programm für Windows und Unix/Linux): http://newton.dm.unipi.it/~asteroid/orbfit/

[21] Bahnbestimmung mit FIND_ORB, GUIDE: http://www.projectpluto.com

[22] David Heralds Programm OCCULT: http://www.lunar-occultations.com/iota/iotaocc3.htm

[23] Mailingliste planoccult@aula.com; wie man dort Mitglied wird, steht in ftp://ftp.ster.kuleuven.ac.be/dist/vvs/asteroids/2001.README

[24] Jan Maneks und Ludek Vastas Internetseiten mit Vorhersagen, Updates und Auswertungen von Sternbedeckungen durch Kleinplaneten: http://sorry.vse.cz/~ludek/mp

[25] Internetseite der IOTA: http://www.lunar-occultations.com/iota/iotandx.htm

[26] Mailingliste von Sky & Telescope: http://www.skypub.com/news/astroalert/astroalert.html


Anschrift des Verfassers: Dr. Martin Federspiel, Benzhauserstr. 21, 79232 March-Holzhausen, E-Mail: martin@astro.unibas.ch


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