Identifikationen von Kleinplaneten

von Andreas Doppler / Arno Gnädig


Die meisten Kleinplaneten sind kurz nach der Entdeckung wieder verloren, sie können aufgrund des kurzen Beobachtungsbogens nur innerhalb eines kurzen Zeitraumes nach der Entdeckung durch direktes Positionieren des Teleskops wiedergefunden werden. Schon in der nächsten Opposition wird man ein nur kurz beobachtetes Objekt nicht ohne weiteres neu beobachten können.

Es kann allerdings passieren, daß das ursprüngliche Objekt wieder beobachtet wird, als bereits gefundenes Objekt aber nicht erkannt wird und daher wiederum als Neuentdeckung verbucht wird. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dies von Opposition zu Opposition passiert.

Wenn neuentdeckte Objekte aus vielfältigen Gründen nicht über einen längeren Zeitraum beobachtet werden können, sind die daraus resultierenden Bahnelemente gut genug, die astrometrischen Positionen zur Beobachtung zu repräsentieren, für die zukünftige Beobachtung sind die mittleren Fehler der Bahnelemente allerdings zu groß, um eine einigermaßen gute Ephemeride zu rechnen, da sich die Fehler der Bahnelemente zwangsläufig in der daraus gerechneten Ephemeride widerspiegeln.

Dies soll am Beispiel der Kleinplaneten 1999 CY34 und 1990 SQ7 deutlich gemacht werden. 1999 CY34 wurde im Zeitraum 10. Februar 1999 bis 13. Februar 1999 beobachtet. Der Beobachtungsbogen war gross genug, um eine erste vorläufige Bahn zu veröffentlichen:

1999 CY34
Epoch 1999 Feb. 11.0 TT = JDT 2451220.5
M 120.97376              (2000.0)            P               Q
n   0.27774517     Peri.  275.68515     +0.99762311     -0.00741320
a   2.3265106      Node    84.75299     +0.03444419     +0.91472471
e   0.2765986      Incl.    3.94478     -0.05968021     +0.40400959
P   3.55           H   14.7           G   0.15

Mit diesen Bahnelementen wird nun für den Beobachtungszeitraum des identischen Objektes eine Ephemeride gerechnet:

          1990 09 14.18611 21 49 10.53 -22 12 18.2
          1990 09 25.20417 21 47 40.73 -21 58 25.7

Tatsächlich beobachtet wurde das Objekt an folgenden Positionen:

J90S07Q   1990 09 14.18611 00 14 52.22 -05 09 00.0          18.80       809
J90S07Q   1990 09 25.20417 00 05 11.66 -06 12 36.5                      809

Die vorhandenen Bahnelemente sind zu ungenau, um das Objekt eindeutig zu identifizieren. Da die veröffentlichten Bahnelemente auf einer ungestörten Lösung beruhen (MPC-Konvention), werden die Bahnelemente erneut gerechnet, diesmal unter Berücksichtigung der Störungen.

1999 CY34
Epoch 1999 Feb. 11.0 TT = JDT 2451220.5                 Doppler
M 108.18677              (2000.0)            P               Q
n   0.27445335     Peri.  293.35664     +0.96524009     -0.25356522
a   2.3450765      Node    81.37970     +0.25704805     +0.87708264
e   0.2123849      Incl.    3.67506     +0.04730606     +0.40795921
P   3.59           H   14.7           G   0.15           U   9

Mit diesen neuen Bahnelementen wird nun erneut für den Beobachtungszeitraum des identischen Objektes eine Ephemeride gerechnet:

          1990 09 14.18611 23 43 36.72 -10 23 46.1
          1990 09 25.20417 23 34 35.00 -11 14 58.0

Tatsächlich beobachtet wurde das Objekt an folgenden Positionen:

J90S07Q   1990 09 14.18611 00 14 52.22 -05 09 00.0          18.80       809
J90S07Q   1990 09 25.20417 00 05 11.66 -06 12 36.5                      809

In beiden Fällen wurde nicht erkannt, daß es sich um ein und dasselbe Objekt handelt. Damit ist das Ziel der Identifikationsrechnung klar definiert: Wenn sich eine Bahnlösung finden läßt, welche die beobachteten Positionen von 2 oder mehr Objekten so repräsentiert, dass die resultierenden Bahnelemente plausibel sind, kann von einer echten Identität ausgegangen werden. Im vorliegenden Fall lässt sich eine solche Lösung finden.

Die wesentliche änderung in den Bahnelementen betreffen die Exzentrizität und das Argument des Perihels.

1999 CY34 = 1990 SQ7
Epoch 1999 Jan. 22.0 TT = JDT 2451200.5                 Doppler
M  58.30600              (2000.0)            P               Q
n   0.26843827     Peri.  338.89563     +0.54946432     -0.83368350
a   2.3799788      Node    77.73539     +0.77445283     +0.48333959
e   0.2068342      Incl.    3.24563     +0.31354709     +0.26712295
P   3.67           H   16.3           G   0.15           U   6

Residuals in seconds of arc

J909E  809  0.3+  0.4+    J909P  809  0.2-  0.5+    J992C  699  0.7-  0.3- 
J909E  809  0.3+  0.6+    J909P  809  0.1+  0.8+    J992C  699  0.4+  0.9- 
J909E  809  0.9-  0.3-    J992A  704  0.4+  0.2-    J992D  704  0.9-  0.7+ 
J909M  809  1.1+  0.2+    J992A  704  0.5-  1.4-    J992D  704  0.8-  1.1+ 
J909M  809  0.9-  1.6-    J992A  704  0.1-  0.2-    J992D  704  1.3+  1.0+ 
J909M  809  0.4-  1.4-    J992A  704  0.7-  0.3+    J992D  704  1.2+  0.9+ 
J909P  809  0.5+  0.7+    J992C  699  0.4+  0.9-    

Die Bahnelemente sind nun genau genug, um weitere zugehörige Beobachtungen zu finden und damit den Beobachtungsbogen zu verlängern bzw. die Qualität der Bahnelemente zu verbessern, oder zukünftige Beobachtungen zu ermöglichen bzw. eindeutig zuordnen zu können. In seltenen Fällen führen solche Identitäten sofort zu einer Numerierung, passiert z. B. mit

(09811) = 1998 ST = 1981 UA3 = 1991 RS18 = 1994 LP9 = 1997 GN33

Für 1999 CY34 = 1990 SQ7 wurde zusätzlich 1977 DL7 gefunden, der ursprüngliche Bogen von 3 Tagen damit auf 22 Jahre und drei Oppositionen verlängert. Die Bahnelemente dieses Objektes sind jetzt so genau, daß es gezielt weiterverfolgt werden kann. Da bereits drei Oppositionen vorliegen, ist die Numerierung nur noch eine Frage der Zeit.

Um mögliche Identitäten zu finden, könnte man alle Objekte untereinander vergleichen, in der Realität wäre ein solches Unterfangen aufgrund der Masse an Beobachtungen aber zum Scheitern verurteilt. Die klassischen Methoden (Schmadel, Milani) versuchen anhand von zwei vorgegebenen Sätzen von Bahnelementen über die Kovarianzen eine Identität zu ermitteln. Dies führte u.a. dazu, dass vom Recheninstitut Heidelberg eine bis heute unerreichte Menge an Identitäten mit bereits numerierten Objekten gefunden wurde.

Da diese Methode jedoch eine nicht unerhebliche Einschränkung bedeutet (mind. 2 Objekte mit Bahnelementen), wird ein anderer Lösungsweg zur Identitätensuche beschritten. Es wurde zu diesem Zweck eine Suchmaschine entwickelt, die zu einem vorgebenem Objekt (mit Bahnelementen) mögliche Kandidaten heraussucht, welche dann mit dem Ursprungsobjekt untersucht werden. Da Kleinplaneten i.d.R. um den Zeitpunkt ihrer Opposition herum beobachtet/gefunden werden, läßt sich die Kandidatensuche auf diese Zeitpunkte einschränken. Anhand des oben gezeigten Kleinplaneten 1999 CY34 konnte gezeigt werden, das durch Verbesserung der Initialelemente die potentiellen Kandidaten (hier 1990 SQ7) förmlich „ins Auge springen". Für eine erste Näherung wird dann mit allen gefundenen Kandidaten eine Bahnverbesserung versucht, wobei im ersten Schritt aus Geschwindigkeitsgründen für die Störungsrechnung nur Jupiter benutzt wird. Falls eine Bahnverbesserung erfolgreich verläuft, wird sofort mit allen Planeten (Merkur – Neptun, Ceres, Pallas und Vesta) eine endgültige Lösung gerechnet. Sofern die neu gerechneten Bahnelemente plausibel erscheinen (typische Main Belt Objekte bzw. Familienzugehörigkeit), wird sofort auf weitere mögliche identische Objekte untersucht, danach gesichert und an das Minor Planet Center weitergeleitet, wo sie geprüft und veröffentlicht werden.

Objekte und deren bereits untersuchte Kandidaten werden zu Verwaltungszwecken in einer Datenbank gespeichert. Diese Datenbank wird benutzt, um Rechnungen nicht doppelt auszuführen. Da das MPC monatlich neue Beobachtungen publiziert, ist es sinnvoll, nur die Objekte zu untersuchen, für die neue Beobachtungen vorliegen, bzw. in der Kandidatensuche nur die Objekte zu berücksichtigen, die neu publiziert wurden. Die Datenbank der bereits gerechneten Objekte erspart hier sehr viel unnötige doppelte Rechnungen.

Wenn eine Identität gefunden wird, stellt sich die erst kürzlich in der Minor Planet Mailing List diskutierte Frage, welches der gefundenen Objekte die sog. Primary Designation erhält, d.h. unter welcher Hauptbezeichnung die Identität weitergeführt wird und wer letztendlich bei einer zukünftigen Numerierung den Namen vorschlagen darf.

In den meisten Fällen ist die Entscheidung einfach. Wenn nur eines der Objekte innerhalb der Identitätskette eine veröffentlichte Bahn hat, so wird es auch weiterhin das Hauptobjekt bleiben. Schwieriger wird es, wenn 2 oder mehr Objekte eine veröffentlichte Bahn haben (wir haben bis heute keine Identität gefunden, bei denen 3 Objekte eine Bahn hatten). I.d.R. wird das Objekt genommen, welches zur Identität führte. Wir verfahren in den Fällen in denen 2 Objekte veröffentlichte Bahnen hatten, wie folgt :

Hierbei wird auch deutlich, daß nicht immer die Anzahl der Beobachtungen einer Neuentdeckung zur Sicherung führt, sondern der Bogen und natürlich die Qualität der Messung.

In seltenen Fällen werden Identitäten zwischen zwei Objekten gefunden, von denen weder das eine noch das andere eine veröffentlichte Bahn hatte. In solchen Fällen wird das Objekt an erste Stelle gesetzt, welches als erstes über mindestens zwei Nächte beobachtet wurde, es sei denn, dass innerhalb der Identitätskette eine oder mehrere double designations existieren, die für sich schon eine Bahnlösung ermöglichen würden. In solchen Fällen wird das erste Objekt der ersten double designation genommen.

Für die o.g. Identität gilt:
Für die Objekte 1999 CY34 und 1990 SQ7 lagen bereits veröffentlichte Bahnelemente vor. Da der Beobachtungsbogen für 1990 SQ7 größer als der von 1999 CY34 ist, wird die Identität mit 1990 SQ7 als erstes Objekt veröffentlicht.

Identitäten.

Die Suche nach Identitäten läuft seit 2 Jahren und hat mittlerweile einen hohen Automatisierungsgrad erreicht. Die Effektivität konnte von anfangs ca. 10 Identifikationen monatlich auf ca. 100 – 150 neue Identitäten gesteigert werden. Die Gesamtzahl zum Stichtag 9. März 1999 beläuft sich auf 1412 neue Identitäten, von denen bisher 24 zur Numerierung führten.

Identitäten.

Nicht einbezogen sind die zahlreichen Linkages mit single night observations. Die Problematik solcher Identifikationen soll nicht hier, sondern auf einem Kleinplanetentreffen erörtert werden.

Der gesamte Prozeß besteht auf einzelnen autarken Programmen, welche je nach Bedarf aufgerufen werden. Von Anfang an wurde darauf geachtet, keine Hardware spezifischen Routinen zu benutzen, um einen möglichst hohen Portabilitätsgrad zu erreichen.

Anmerkungen


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